Corona und Urlaubszeit: Was ist zu beachten?

Juli 16, 2020

Die Urlaubszeit hat begonnen. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Die Corona-Pandemie ist längst nicht überstanden – auch wenn in Deutschland die Zahl der Infizierten derzeit vergleichsweise gering ist. Auf eine Urlaubsreise möchten viele Mitarbeitende  in Apotheken dennoch nicht verzichten. Was neben den überall geltenden AHA-Regeln (Abstand – Hygiene – Alltagsmasken) bei der Wahl des Urlaubszieles und für die Zeit nach der Rückkehr zu beachten ist, haben wir in einer FAQ-Liste für Sie zusammengestellt.

Bereits im April haben sich die Bundesländer auf eine gemeinsam von den Innen- und Gesundheitsministerien von Bund und Ländern erarbeitete Musterverordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Corona-Virus geeinigt.

Auch das Land Berlin hat die dort vorgesehen Maßnahmen in
§§ 8 – 9a der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung vom 26. Juni 2020 umgesetzt

Nach diesen Regelungen besteht bei einem Aufenthalt in einem Covid-19-Risikogebiet nach Rückkehr eine Quarantänepflicht. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stellen sich in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Fragen über die Entgeltfortzahlung in diesen Fällen oder Entschädigungen für den Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz bis hin zu Informationspflichten und geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen. Auf die wichtigsten Fragen soll im Folgenden eingegangen werden.

Was müssen Arbeitnehmer nach ihrer Rückkehr beachten?

Nach § 8 der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung vom 26. Juni 2020 sind Arbeitnehmer verpflichtet, sich unverzüglich und unaufgefordert

  • auf direktem Weg für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben und
  • das zuständige Gesundheitsamt zu kontaktieren,

wenn sie sich innerhalb von 14 Tagen vor der Rückkehr in das Land Berlin in einem sog. Risikogebiet im Ausland aufgehalten haben. Diese Quarantänepflicht gilt auch, wenn sie zunächst über ein anderes Bundesland nach Berlin zurückkehren.

Dieselbe Pflicht besteht gemäß § 9a, wenn der Aufenthalt in einer Risikoregion innerhalb der Bundesrepublik Deutschland bestand.

Betroffene Arbeitnehmer dürfen in diesem Fall also nicht unmittelbar an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Ausnahmen von der häuslichen Quarantänepflicht sind in § 9 geregelt und bestehen nur in besonderen Fällen, z.B. wenn ein Attest über einen negativen Corona-Test vorgelegt werden kann, der nicht älter als 48 Stunden ist, und keine Krankheitssymptome bestehen.

Verstöße gegen die Bestimmungen können mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 25.000 € und mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Wo erfährt man, welche Länder oder Regionen zu den Risikogebieten zählen?

Die Risikogebiete im Ausland werden gemäß § 8 Abs. 4 der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern festgelegt und vom Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht. Für die Festlegung der Risikogebiete im Inland ist gemäß § 9a Satz 3 der Verordnung die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung im Einvernehmen mit der Senatskanzlei zuständig.

Gemäß der fortlaufend aktualisierten Veröffentlichung des RKI gelten als Risikogebiete im Ausland derzeit insbesondere auch beliebte Reiseländer wie zum Beispiel Ägypten, Brasilien, Israel, Marokko, Mexiko, Saudi Arabien, Türkei, USA und die Vereinigten Arabischen Emirate. Nach den aktuellen Veröffentlichungen der Senatsverwaltung für Gesundheit gibt es innerhalb der Bundesrepublik derzeit (Stand 16.07.2020) keine Risikoregionen im Sinne des § 9a SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung

Arbeitnehmer sind gehalten, sich über die aktuellen Risikogebiete innerhalb und außerhalb Deutschlands vor Abreise und bei Rückkehr zu informieren. Auch Arbeitgeber sollten die Listen und ihre Aktualisierungen regelmäßig im Blick haben.

Was gilt für Länder oder Regionen, für die vom Auswärtigen Amt zwar eine Reisewarnung besteht, die aber nicht als Risikogebiete ausgewiesen sind?

Für Reisen in Länder, für die zwar vom Auswärtigen Amt noch eine Reisewarnung gilt, die aber nicht als Risikogebiete ausgewiesen sind, gilt die Quarantänepflicht nicht, denn die Verordnung knüpft dafür ausdrücklich an einen Aufenthalt in einem als Risikogebiet ausgewiesenen Land an.

Zu welchen Maßnahmen sind Arbeitgeber verpflichtet, wenn Arbeitnehmer trotz der Quarantänepflicht zur Arbeit kommen?

Missachten Arbeitnehmer das Verbot, haben Arbeitgeber aber Kenntnis von deren Urlaub in einem Risikogebiet, sind sie schon aufgrund der aus § 241 Abs. 2 BGB und § 618 Abs. 1 BGB folgenden Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet, die Rückkehrer nach Hause zu schicken und aufzufordern, für 14 Tage nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen.

Müssen Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber unaufgefordert über ihren Urlaubsort informieren?

Aufgrund der gegenseitigen Treuepflicht im Arbeitsverhältnis sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihren Arbeitgeber über eine Reise in ein Risikogebiet zu informieren.

Berücksichtigt man, dass aufgrund der derzeit geltenden Quarantänebestimmungen die Reisepläne der Arbeitnehmer für Unternehmen zusätzlichen Organisationsaufwand bedeuten, wird man auch verlangen können, dass diese Information bereits vor Urlaubsantritt erfolgt.

Da die Quarantänepflicht schon allein bei Aufenthalt in einem Risikogebiet gilt, besteht die Informationspflicht selbstverständlich auch, wenn dort kein Kontakt zu an Covid-19 erkrankten Personen bestand. Gab es solche Kontakte jedoch, ist der Arbeitgeber ebenso und erst recht zu informieren und natürlich unabhängig davon, ob das Reiseland ein Risikogebiet war oder nicht.

Die Informationspflicht geht jedoch nicht so weit, dass die Arbeitnehmer verpflichtet wären, in Corona-Zeiten vorsorglich generell über ihre Reiseziele zu informieren, obwohl diese nicht als Risikogebiete ausgewiesen sind. Aufgrund der Vielzahl der ungeklärten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung und der Entschädigung nach § 56 IfSG (s.u.) ist Arbeitnehmern jedoch zu empfehlen, mit ihren Arbeitgebern über Urlaubspläne zu sprechen – zumindest wenn aufgrund der aktuellen Entwicklungen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Urlaubsziel zum Risikogebiet werden könnte.

Hat der Arbeitgeber ein Fragerecht?

Da eine grundsätzliche Informationspflicht besteht, ist der Arbeitgeber auch berechtigt, nach einem möglichen Aufenthalt in einem Risikogebiet oder eventuellen Kontakten mit erhöhtem Ansteckungsrisiko zu fragen. Dies gilt auch ohne besondere Anhaltspunkte.

Entsprechende Fragen und Datenerhebungen werden auch von den Datenschutzbehörden als zulässig angesehen.

Arbeitnehmer müssen diese Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Es besteht allerdings keine Verpflichtung den genauen Aufenthaltsort zu nennen; ausreichend ist eine „Ja/Nein“ Antwort des Arbeitnehmers.

Besteht während der Reiserückkehr-Quarantäne ein Entgeltfortzahlungsanspruch?

Für die Frage, wie es sich auf den Vergütungsanspruch von Arbeitnehmern auswirkt, die zwar gesund aus ihrem Urlaub im Risikogebiet zurückkommen, aber in Quarantäne müssen, sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

1.    bewusste Reise in ein Risikogebiet:

Einigkeit besteht insoweit, dass Arbeitnehmer dann keinen Vergütungsanspruch haben dürften, wenn sie bewusst in Risikogebiete reisen, denn in diesen Fällen wird ihnen die Erbringung der Arbeitsleistung nach ihrer Rückkehr aus einem von ihnen zu vertretenden Umstand unmöglich, so dass die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfällt. Von einer bewussten Reise in Risikogebiete dürfte auszugehen sein, wenn Arbeitnehmer in ein Land oder eine Region reisen, die bereits vor Reiseantritt zu den aktuellen Risikogebieten zählten. Arbeitnehmer dürften insoweit verpflichtet sein, sich entsprechend zu informieren. Arbeitgebern ist in diesem Zusammenhang zu raten, Arbeitnehmer darüber zu informieren, dass Reisen in Risikogebiete inner- und außerhalb Deutschlands zu einem Verlust des Vergütungsanspruchs führen kann.

2.    Reiseland wird erst später (während der Reise) zum Risikogebiet erklärt:

Noch nicht geklärt ist jedoch, wie es sich verhält, wenn das Reiseland erst während des Aufenthalts dort zum Risikogebiet erklärt wird.

Streitpunkt ist die Frage, ob § 616 BGB, der einen Entgeltfortzahlungsanspruch in Fällen vorsieht, in denen Arbeitnehmer für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Dienstleistung gehindert“ sind, anwendbar ist.

Gegen die Anwendung des § 616 BGB könnten folgende Gründe sprechen:

  • Teilweise wird vertreten, dass es sich bei der Quarantäne wegen des Aufenthaltes in einem Risikogebiet nicht um einen „in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund“ handelt, sondern das Risiko im Reiseland ein objektiv, viele Personen treffendes Risiko ist.
  • Auch der Standpunkt, dass ein Mitverschulden der Arbeitnehmer auch anzunehmen ist, wenn das Reiseland bei Abreise noch nicht als Risikogebiet ausgewiesen war, wird vertreten. Begründet wird dies damit, dass bei Reisen zu touristischen Zwecken während der aktuellen Krisensituation immer ein Risiko in Kauf genommen werde.
  • Ein weiteres Argument ist: § 616 BGB sichert den Entgeltanspruch nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. 14 Tage einer Quarantäne werden dafür teilweise als zu lang bewertet.

Solange hierzu keine gerichtlichen Entscheidungen existieren, sind sichere Auskünfte zu dieser Frage jedoch leider nicht möglich.

Arbeitgeber müssen also entscheiden, ob individuelle Alternativen (wie die Arbeit im Homeoffice oder eine längere Inanspruchnahme von Urlaub bzw. der Abbau von Zeitguthaben aus Überstunden o.ä.) gefunden werden können und – falls dies nicht möglich ist – dann die Vergütungszahlung aus den vorstehenden Gründen eingestellt wird.

Besteht während der Reiserückkehr-Quarantäne die Möglichkeit einer Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz?

Erhalten die Arbeitnehmer keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber, stellt sich die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht. Schließlich ist dieser für den Fall einer behördlich angeordneten Quarantäne vorgesehen.

Zunächst gilt wohl auch hier: Reisen Arbeitnehmer bewusst in ein Risikogebiet, dürfte ein Anspruch auf die Entschädigung nach § 56 IfSG schon von vornherein ausscheiden, da der Entschädigungsanspruch nur besteht, wenn die Quarantäne nicht durch andere Schutzmaßnahmen vermeidbar war. 

Auch wenn das Urlaubsland erst später unverhofft zum Risikogebiet erklärt wird, ist ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG keineswegs sicher, denn bei der Quarantäne nach einer Reiserückkehr handelt es sich nicht um eine individuelle Anordnung durch die Behörde (wie beispielweise bei einer Quarantäneanordnung wegen Kontaktes zu an Covid-19 erkrankten Personen), sondern um eine allgemeine Anordnung aufgrund einer Rechtsverordnung. Teilweise wird daher eingewandt, die Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch würden nicht vorliegen.

Für einen Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG sind die Arbeitgeber bis zu 6 Wochen vorleistungspflichtig, d.h. sie müssen die Entschädigung an die Arbeitnehmer zunächst selbst zahlen und sich diese Zahlungen dann von der Behörde erstatten lassen. Dies bedeutet aber: Zahlen sie in der Annahme, nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet zu sein, sondern lediglich in Vorleistung für eine Entschädigung zu gehen, lehnt die Behörde die Erstattung dann aber ab, wären sie auf die Rückzahlung durch die Arbeitnehmer angewiesen.

Die aktuell unklare Situation ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen unbefriedigend.

Beide Seiten sollten daher grundsätzlich schon vor Reiseantritt prüfen, ob das Land oder die Region innerhalb Deutschlands derzeit zu einem Risikogebiet zählt oder aufgrund der Infektionszahlen eine Tendenz erkennbar ist. Zudem sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Reiseantritt in den Dialog treten, um für den Fall der Fälle alternative Lösungsmöglichkeiten, wie eine längere Inanspruchnahme von Urlaub bzw. der Abbau von Zeitguthaben aus Überstunden, zu besprechen.

Was gilt, wenn Arbeitnehmer nach ihrer Rückkehr aus einen Risikogebiet an einer Covid-19-Infektion erkranken?

In diesen Fällen gilt natürlich erst recht die Quarantänepflicht.

Grundsätzlich besteht bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit Anspruch auf Vergütungsfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).

Eine Besonderheit kann sich allerdings daraus ergeben, dass in diesem Fall im Ergebnis zwei Gründe für die Arbeitsverhinderung bestehen: die Erkrankung und die ohnehin bestehende Pflicht der Arbeitnehmer, sich nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet in Quarantäne zu begeben. Die Ursache der Arbeitsverhinderung liegt in einem solchen Fall (auch) darin, dass es dem Arbeitnehmer aufgrund der Quarantänepflicht nicht gestattet ist, seinen Arbeitsplatz während der 14-tägigen Quarantänephase aufzusuchen und seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Nach dem Grundsatz der sog. „Monokausalität“ setzt der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Krankheit jedoch voraus, dass die Krankheit die einzige Ursache für die Arbeitsverhinderung ist.

Entscheidend ist auch in diesem Punkt wieder die Frage, ob während der Quarantäne grundsätzlich eine Entgeltfortzahlungspflicht nach § 616 BGB besteht. Nimmt man dies an, kommt es auf die Entgeltfortzahlungspflicht wegen Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG nicht an. Ist § 616 BGB nicht anwendbar, könnte dies bedeuten, dass auch bei Erkrankung kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.

Letztlich besteht also leider auch in dieser Frage Rechtsunsicherheit und es dürfte damit zu rechnen sein, dass Arbeitnehmer versuchen werden, Ansprüche ggf. gerichtlich durchzusetzen.

Zusammenfassende Handlungsempfehlungen:

  • In diesem Zusammenhang sollten die Arbeitnehmer klar darauf hingewiesen werden, dass bei Reisen in vor Abreise bekannte Risikogebiete nicht nur eine häusliche Quarantäne nach Rückkehr droht, sondern auch der Entgeltfortzahlungsanspruch und ein Entschädigungsanspruch nach dem IfSG entfallen und dies auch im Fall einer Erkrankung nach der Reise in das Risikogebiet der Fall sein könnte.
  • Urlaubsrückkehrer sollten konkret befragt werden, ob sie sich in einem zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr als Risikogebiet ausgewiesenen Ort aufgehalten haben und/oder Kontakt mit Erkrankten und/oder selbst Symptome einer Covid-19-Erkrankung haben. Hilfreich kann dafür ein standardisierter Fragebogen sein.

AK Berlin, 16.07.2020