Gefährdungsbeurteilung im Zusammenhang mit COVID-19 bei Schwangeren

April 9, 2020

Gemäß §§ 11, 12 Mutterschutzgesetz (MuSchG) darf der Arbeitgeber schwangere oder stillende Frauen keine Tätigkeiten ausführen lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, die für sie oder ihr Kind mit einer „unverantwortbaren Gefährdung“ verbunden sind. Diese speziellen Vorschriften für Schwangere ergänzen die generelle Pflicht des Arbeitgebers gemäß § 3 ff. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten.

Bei der Kammer sind mehrere Anfragen eingegangen, was unter den Bedingungen von COVID-19 zu beachten ist.

Eine „unverantwortbare Gefährdung“ liegt gemäß §§ 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 MuSchG u.a. bei der Gefahr eines Kontakts mit Biostoffen ab der Risikogruppen 2 im Sinne der Biostoffverordnung vor. Diese Voraussetzungen sind bei COVID-19 erfüllt. Der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (ABAS) hat das Coronavirus mit Beschluss vom 19.02.2020 vorläufig in die Risikogruppe 3 der Biostoffverordnung (BioStoffV) eingestuft.

Werden „unverantwortbare Gefährdungen“ festgestellt, ist der Arbeitgeber in Ergänzung zu § 4 BioStoffV gemäß § 13 Abs. 1 MuSchG verpflichtet, nach einer Gefährdungsbeurteilung die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen.

Als mögliche Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen sieht das Gesetz die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen sowie – sollte dies nicht ausreichend oder möglich sein – den Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz vor. Kann die Gefährdung weder durch eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen noch durch einen Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz ausgeschlossen werden, kann als letzter Schritt aber auch ein sog. betriebliches Beschäftigungsverbot gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG erforderlich werden.

Welche Schutzmaßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, muss der Arbeitgeber anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles in eigener Verantwortung prüfen.

Grundsätzliche Hinweise und Handlungsanweisungen zur Gefährdungsbeurteilung finden Sie in den Empfehlungen der Bundesapothekerkammer vom 08.04.2020 zu Arbeitsschutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Biostoffen während einer Covid-19-Pandemie. Generell sollte bei der Gefährdungsbeurteilung von Schwangeren aber berücksichtigt werden:

Wie auch in den Empfehlungen der Bundesapothekerkammer angesprochen, sollten für die Beurteilung der Schutzmaßnahmen in Apotheken analoge oder gleichwertige Maßnahmen ergriffen werden, wie sie für Beschäftigte in Krankenhäusern und Arztpraxen bestehen.

Gemäß der Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit Stand vom 23.03.2020, siehe hier, scheinen Schwangere nach bisherigen Erkenntnissen zwar kein erhöhtes Risiko gegenüber nicht schwangeren Frauen mit gleichem Gesundheitsstatus zu haben. Verlässliche wissenschaftliche Ergebnisse, welche eine abschließende Aussage zulassen, existieren bisher aber noch nicht.

In Apotheken dürfte das Infektionsrisiko aufgrund des Kontakts zu ständig wechselndem Publikum, der Unvermeidbarkeit eines „face-to-face“-Kontakts bei der Beratung und dem typischen Umgang mit atemwegserkrankten und krankheitsverdächtigten Personen zudem unabhängig von den Umständen der jeweiligen Apotheke generell als hoch einzuschätzen sein.

Ebenso wie für andere Beschäftigte im Gesundheitswesen muss dabei auch berücksichtigt werden, dass dicht anliegende Atemschutzmasken für schwangere Frauen nur bedingt geeignet sind, da sie aufgrund des Atemwiderstands in der Tragezeit zeitlich sehr begrenzt sind, vgl. „Arbeitsmedizinische Einschätzung zur Beschäftigung von schwangeren Frauen im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2/COVID-19“ (Stand: 25.03.2020) des Landesamtes für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, siehe hier.

Soweit eine schwangere oder stillende Mitarbeiterin in einer Position mit Kundenkontakt arbeitet, erscheint eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen daher nicht ausreichend, um die Gefahr einer Infektion auszuschließen. In der Regel wird daher der Einsatz auf einem Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt bzw. – sollte dies nicht möglich sein – der Ausspruch eines betrieblichen Beschäftigungsverbots bis zum Abklingen der Epidemie dringend in Erwägung zu ziehen sein. Es empfiehlt sich, für die Entscheidung den Betriebsarzt hinzuzuziehen. 

Auf jeden Fall sollte umgehend ein betriebliches Beschäftigungsverbot angeordnet werden, wenn im Arbeitsumfeld (also in der Apotheke selbst unter den Kollegen, aber auch bei Kunden oder Familienmitgliedern der Apothekenmitarbeiter) eine COVID-19-Infektion nachgewiesen ist oder ein Verdachtsfall besteht. Das Beschäftigungsverbot sollte dann mindestens 14 Tage bestehen, vgl. „Informationen zum Mutterschutz im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2/COVID-19“ (Stand 27.03.2020) des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, siehe hier.

Für die Dauer eines betrieblichen Beschäftigungsverbotes hat die betroffene Mitarbeiterin Anspruch auf Mutterschutzlohn gemäß § 18 MuSchG in Höhe des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der letzten 3 Monate. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber aber Anspruch auf Erstattung der Vergütung von der Krankenkasse gemäß § 1 Abs. 2 Ziffer 2 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und zwar in voller Höhe. Kein Ausgleichsanspruch besteht allerdings für geringfügig Beschäftigte.

Für die Antragstellung gilt: Die Erstattung erfolgt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 AAG auf Antrag des Arbeitgebers. Erstattet werden kann nach Angaben des GKV Spitzenverbandes aber nur rückwirkend, d. h. der Arbeitgeber muss in Vorleistung gehen. Der Antrag sollte bei der zuständigen Krankenkasse umgehend nach Auszahlung des Arbeitsentgelts für den jeweils zurückliegenden Monat gestellt werden. Grundsätzliche Hinweise zum Ausgleichsverfahren der Arbeitgeberaufwendungen bei Arbeitsunfähigkeit (U1-Verfahren) und für Mutterschaftsleistungen (U2-Verfahren) des GKV Spitzenverbandes vom 19.11.2019, Seite 29 finden Sie hier .

AK Berlin, 09.04.2020